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Veränderungen auf der Reise

  • B&M
  • 23. Apr. 2020
  • 8 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 27. Apr. 2020

Also, zuerst einmal wollen wir euch nochmal dazu aufrufen, abzustimmen! Wir sind doch super gespannt, was ihr denkt, wann wir weiterfahren und die Grenze nach Myanmar überqueren können. Hier nochmal der Link. Und als zweites wollen wir euch nochmal sagen, dass weder unser englischer, noch unser amerikanischer Kollege haben irgendwelche Unterstützung von ihrer Regierung angeboten bekommen. Außerdem – wenn man so in die anderen Länder und vor allem nach Indien oder auch die USA schaut, haben so viele ihren Job verloren und haben jetzt kein Geld und null soziale Absicherung. Auch unser amerikanischer Mitbewohner liebäugelt mit einem längerem Aufenthalt in Deutschland.. Also Leute, für die, die es noch nicht wussten: wir Deutschen haben es verdammt gut!! :)


So, und jetzt folgen noch ein paar Gedanken von uns beiden zum Thema Veränderung:

Marie: Wir wurden im Laufe der Reise schon ein paar Mal gefragt, inwiefern wir uns verändert haben und ich musste immer ganz schön nachdenken. Ich konnte es nicht so wirklich sagen oder beschreiben, hatte aber schon das Gefühl, dass sich was in mir verändert hatte. Und in der Zeit hier in Shillong, in der wir ja aktuell nicht mehr reisen, ist irgendwie nochmal viel passiert in und mit mir. Vielleicht einfach, weil mir noch viele Dinge bewusster geworden sind oder weil wir nochmal neuen Input von anderen Leuten bekommen haben, mit denen wir einen engeren Kontakt aufbauen konnten. Ich weiß es nicht. Was mir aber aufgefallen ist und was ich sehr spannend finde ist, dass „größere“ persönliche Veränderungen für mich einfacher zu vollziehen sind, wenn ich entweder jemanden hab, der mir einen Schubs gibt, mich unterstützt oder wenn ich aus meinem gewohnten Alltag rauskomme. Veränderungen in einem laufenden Alltag zu vollziehen ist irgendwie schwieriger. Vielleicht, weil man auf mehr Widerstand stößt, die Gewohnheiten sind irgendwie schon eingeschliffen und man hat sich daran gewöhnt. Zudem könnten die Familie und Freunde Fragen stellen, warum man sich denn plötzlich anders verhält. Und die Fragen sind ja auch gerechtfertigt und würde ich vermutlich genauso stellen – nichtsdestotrotz kostet es mehr Überwindung, sich eine neue Eigenschaft/ Verhaltensweise anzueignen. Und dieses Phänomen ist bei mir so stark, dass ich sogar Dinge mache, von denen ich selbst nicht überzeugt bin – einfach, weil es bequemer ist und weil es zu anstrengend ist, mein Verhalten zu ändern. Beispielsweise mit dem Auto statt mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren (hätte nur 10 min länger gedauert), Fleisch zu essen, mehrmals im Jahr zu fliegen trotz des ökologischen Fußabdrucks und so weiter. Irgendwie krass... Wo es mir jetzt am meisten aufgefallen ist, waren meine Essensgewohnheiten. Ich wollte schon seit der 12. Klasse kein Fleisch mehr essen (nachdem ich im Biologie-Unterricht gesehen hatte, wie Kühe getötet werden), hab mir dann aber am selben Tag noch in der Mittagpause einen HotDog gekauft. Hmm… weil ich erst nach dem 2. Bissen realisiert habe, dass das ja auch mal ein Tier war. Okay, dann hab ich mit meinem Vegetarier-Dasein eben erst nach der Mittagspause angefangen. Immerhin hab ich es circa 2 Jahre durchgezogen. Und dann… betrunken einen Döner genossen. War einfach zu lecker. Und so ging das dann über mehrere Jahre hin und her, sodass ich öfter gefragt wurde, was denn meine aktuellen Essensgewohnheiten sind, wenn ich wo eingeladen wurde. Weil es sich einfach immer wieder verändert hat und ich es nie konsequent durchziehen konnte, wirklich Vegetarierin oder Veganerin zu sein. Vor der Reise war ich dann einfach „Flexitarierin“, die aber noch sehr gerne Käse gegessen hat. Und Fleisch hab ich auch selten mal gegessen. Aber warum fiel es mir so schwer, komplett auf Fleisch und Tierprodukte zu verzichten? Irgendwie hab ich gemerkt, dass meine Argumente, die gegen Tierprodukte gesprochen haben, für mich stimmig waren und sich richtig, wahr und authentisch angefühlt haben. Zum Beispiel: „Ich möchte kein Tier essen, wenn ich es nicht selber auch schlachten kann. Dann lass ich nur andere Menschen für mich die „Drecksarbeit“ machen, aber irgendwie ist das doch nicht konsequent.“ Oder: „Die Milch gehört eigentlich den Kühen und nicht uns. Und Eier gehören den Hühnern und nicht uns. Das stimmt irgendwie nicht mit der Natur der Dinge überein und passt nicht in das ursprüngliche Konzept der Natur.“ Tja, und trotzdem war es dann zu.. lecker, praktisch, bequem, einfach so weiterzumachen wie bisher auch. Dabei hatte ich bereits auch so Sachen gehört wie „91% des Regenwalds wurden abgeholzt, um Ackerfläche für Vieh zu ermöglichen“ oder dass der Haupt-Verursacher des Treibhausgas-Effektes die Viehzucht und Viehhaltung ist. Nur 17% wird durch den kompletten Verkehr verursacht! (Flugzeuge, Autos, etc.) und 50% durch Viehhaltung. Krass. Nichtsdestotrotz hab ich erfolgreich geschafft, diese Wahrheiten für mich zu ignorieren und mir meine eigene kleine Welt zu schaffen, die mich selbst irgendwie ausschließt aus dem ganzen „Zeug“. Außerdem (das hatte ich auch in meinem anderen Gedanken-Tagebuch schon beschrieben) ist es ein nicht so schönes Gefühl, wenn man sich mit so Dingen befasst wie „wir müssen aufhören, die Erde so zu behandeln“ und „wenn wir so weitermachen, dann zerstören wir die Erde“. Es klingt total anstrengend und unbequem und mir ging es doch gut. Wenn ich von der Arbeit kam, wollte ich mich nicht mit so etwas befassen und irgendwie wollte ich ja, dass es für mich so weitergeht, weil es mir ja gut ging.

So, und nun bin ich wieder an einem Punkt, an dem ich nur dadurch bin, weil ich mich mit den Dingen befasst hab. Ich hab mir verschiedene Filme angeschaut, die mich nochmals wachgerüttelt haben und das war im ersten Moment nicht so schön und es hat mich Überwindung gekostet, die Filme überhaupt anzuschauen, weil ich wusste, dass es mir nicht gefallen würde, was die zeigen. Und weil ich wusste, dass ich dann vielleicht mein Verhalten ändern müsste. Aber ich bin sehr froh, dass ich es trotzdem gemacht hab.

Bennos weiser Onkel hatte mir auf mein erstes Gedanken-Tagebuch geantwortet und hatte geschrieben, dass es doch sehr wohl „positive“ Gefühle sind, die ich dann habe, wenn ich mich mit so Dingen befasse. Wenn ich Dokumentationen über Sklaverei, Tierhaltung, etc. anschaue. Es fühlt sich vielleicht im ersten Moment nicht so an, aber es ist Mitgefühl und Ehrlichkeit zu sich selbst. Und das ist sowas von positiv! :) Und auch wenn es im ersten Moment unangenehm ist, so fühlt es sich danach einfach so viel besser und echter an. Ich fühle mich, als würde ich Verantwortung für mich, mein Leben und den Planeten übernehmen.

Gleichzeitig will ich mich weder als Heilige darstellen (die ich bei weitem nicht bin), noch will ich hier irgendwen „konvertieren“. Nein, das Einzige, was ich will ist, meine Gefühle zu teilen und zu hoffen, dass noch mehr Menschen davon profitieren können. Weil ich mir jetzt so vorkomme, als hätte mich jemand lange Zeit versucht zu täuschen und ich hab mich täuschen lassen. Denn wenn ich mal ehrlich zu mir bin, dann weiß ich, dass es nicht in Ordnung ist, sich Klamotten zu kaufen, die in Billigländern hergestellt werden. Dann weiß ich, dass es unethisch ist, sich Fleisch vom Discounter zu kaufen und überhaupt Tiere zu essen. (Auch durch Essen von „bio“ Fleisch unterstütze ich die Tierhaltung auf diesem Planeten und treibe den Treibhauseffekt voran und unterstütze, dass Billionen Liter Wasser an die Tiere und nicht an Menschen und Pflanzen gehen. Auch Fischfang ist sowas von unethisch und zerstört unsere Ozeane, das ist zum Heulen). Und diese ganze Scheiße, dass man Fleisch und Fisch braucht, um sich vollwertig ernähren zu können. Das stimmt auch nicht. Naja, ich glaube, ihr versteht, was ich sagen will.

Ich will endlich ehrlich zu mir sein. Und ich will unseren Planeten nicht zerstören, sondern will ihn erhalten und ihn pflegen! Und kann jedem nur von ganzem Herzen anbieten, das auch auszuprobieren.


Benno:

Ich empfinde es grundsätzlich als mühsam, mich mit der Frage „Wie hast du dich verändert?“ oder anderen großen Brocken zu beschäftigen. Die Veränderung ist andauernd und langsam. Wenn man sich jede Stunde, jeden Tag und jede Woche diese Frage stellt, wie man sich innerhalb der z.B. letzten 1h, 24h oder 168h verändert hat, ist es sehr wahrscheinlich schwieriger zu antworten, als wenn man nach einem Jahr auf sein „Ich“ vor einem Jahr zurückschaut. Dies liegt wohl daran, dass die Summe der winzigen Veränderungen und gereiften Gedanken irgendwann mit der Zeit ersichtlich(er) werden. Wie ich oben geschrieben habe, empfinde ich es als mühselig, dieses ständig in Bewegung und Veränderung befindende Bild für mich zu skizzieren. Ich finde es bemerkenswert, wie Marie mit einer unerschöpflichen Energie Dinge ausprobiert und entdecken will. Puh, das wird einem beim Zuschauen schon mal schwindelig J. Vielleicht bin ich kritischer mit mir und habe ich mehr Angst vor der Entdeckung, mein „damaliges Ich“ bzw. meine Vergangenheit in Frage zu stellen oder nicht zu mögen. Ja, ich glaube so ist es; aber umso mehr Zeit zwischen meinem „aktuellem Ich“ und meinem „damaligen Ich“ liegt, umso einfacher wird es. Die zeitliche Distanz, die emotionale Distanz und aktuell auch die räumliche Distanz ist groß, bzw. wird immer größer. Auf diesen Ebenen ist dann einfacher zu sagen: „Achja,…das ist schon lange her, seitdem ist viel passiert“; „Ich habe mich verändert – es ist okay, dass ich so war“; „Damals war ich mich dem System und Trott angepasst“.

Das „Ich“ ist allerdings groß und hat viele Facetten und unterschiedliche Lebensbereiche. Ein, meiner Meinung nach, schönes Bild, um diese unterschiedlichen Bereiche zu betrachten, ist folgendes: Ich nehme mir ein Fernglas und schaue mir z.B. die Szene an, wie ich morgens innerhalb von 25min aus dem Bett in den Zug oder später in den Firmenwagen gestiegen bin. Oder ich schaue mir durch das Fernglas an, wie beim Frisbee Training mein Blut hochkocht, weil jemand meint, sich mit links einwerfen zu müssen. Wenn ich einzelne Situationen durch das Fernglas betrachte, bin ich mir gelegentlich selber unangenehm. Das Bild durch das Fernglas auf mein „damaliges Ich“ und mein aktuelles Gefühl zu meinem „jetzigen Ich“ sind schon sehr unterschiedlich. Nicht unterschiedlich im Kern selber, ich habe mich immer gemocht, aber vielleicht viele kleine Teilchen drum herum ergeben heute in der Summe einen anderen Benno als ich damals war. Bemerkenswert empfinde ich die Erkenntnis, wie sehr ich davon getrieben war, etwas zu bewegen oder auch entstehen zu lassen und wie krass ich die Zeit nutzen wollte und nur sehr schwer mal nichts oder wenig tun konnte. Es war quasi so, dass ich überzeugt war, dass ich etwas tun muss und dann irgendwas entsteht und letztendlich dann die Zufriedenheit wieder über außen in mir entsteht. Dem ist aber nicht so. Der Kern meines Glückes und Zufriedenheit oder was auch immer es ist, wohnt in mir und in jedem von uns. Michael Ende, Momo: „Es gibt ein großes und doch als alltägliches Geheimnis. Alle Menschen haben dran teil, jeder kennt es, aber die wenigsten denken je darüber nach. Die meisten Leute nehmen es einfach so hin und wundern sich kein bisschen darüber. Dieses Geheimnis ist die Zeit. Es gibt Kalender und Uhren, um sie zu messen, aber das will wenig besagen, denn jeder weiß, dass einem eine einzige Stunde wie eine Ewigkeit vorkommen kann, mitunter kann sie aber auch wie ein Augenblick vergehen – je nachdem, was man in dieser Stunde erlebt. Denn Zeit ist Leben und das Leben wohnt im Herzen“.

Ich bin glaube ich ruhiger und auch selbstsicherer geworden. Es ist die Zeit und die Freiheit, die aktuell in riesiger Menge zur Verfügung steht. Allerdings bin ich mir recht sicher, dass irgendwann der Punkt kommen wird, wo ich mich wieder nach einer Aufgabe sehne - danach, an etwas mitzuwirken und etwas entstehen zu lassen. Ich möchte aber nicht, dass es so allumfassend wird. Ich will mein Leben nicht mehr so vollpacken, dass ich überwiegend rastlos bin und mir keine Zeit nehme, die Augenblicke länger und intensiver, vor allem in mir und mit mir, wahrzunehmen. Die Frage ist, in welcher Umgebung und in welchem Umfeld es mir möglichst leichtfallen wird, dies langfristig beizubehalten. Dies liegt natürlich zum größten Teil an mir und in mir. Das Leben bleibt spannend.


PPS: Wer sich fragt, warum Marie mit Schlafmaske meditiert - sie hat einen "Blinden-Tag" gemacht und ist einen Tag lang ohne Augenlicht rumgelaufen, hat Yoga gemacht, meditiert und einen Film mit Audio-Beschreibung ge"guckt".

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Benno und Marie

the cycling dreamteam on tour :)

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