Georgien - grandiose Begegnungen
- B&M
- 18. Aug. 2019
- 6 Min. Lesezeit
Die Fährüberfahrt war sehr gechilled. Schlafen, essen, Video schneiden, essen, schlafen. Die Abwicklung an Board war ziemlich unorganisiert und Benno hat einiges an Optimierungspotential entdeckt. Neben den etlichen LKW-Fahrern und zwei Schweinetransportern voll mit quickenden Schweinen waren eine Handvoll Individualreisende on Board. Die interessanteren Gespräche hatten wir mit zwei deutschen älteren Pärchen beim Bierchen. Anbei ein Ausschnitt aus einer Rundmail von dem einen Pärchen:
„…Frühstück immer um 08.00 bis 08.30 Uhr. Pünktlich. "ACHTUNG PASSAGIERE, Frühstück fassen!" tönt es um 07.15 aus dem lauten Lautsprecher.Der Manager der Reederei hat uns schon mit geschürzten Lippen gesagt, das Essen an Bord wäre excellent. Die Alugabel habe ich schon verbogen, als ich das Rührei nur festhalten wollte. Zum Glück ist nicht mehr passiert. Mittag- und Abendessen steht für 80 Leute bereits fertig auf dem Tisch. So wird aus einer Kartoffelsuppe im Nu eine Gaspacho. Der Kaffee muss extra bezahlt werden. Glücklicherweise ist eine klasse Truppe von acht Deutschen an Bord...“
inklusive einer Erwähnung unserer Person:
„…ein junges Ehepaar, das mit ihren Fahrrädern von Köln nach Indien wollen und uns erklären, wie sie Ihre Handys mit dem Fahrrad laden können und wie die App „Heiße Dusche“ funktioniert und die sich erst auf der Fähre die wenig befahrenen Strecken durch Georgien nach Indien angesehen haben. Sind sehr relaxed, die beiden…“
Insgesamt aber eine bereichernde Erfahrung.
Und das andere der Pärchen haben wir dann 1 Tag nach Anlegen in Georgien nochmals auf der Straße getroffen. Die waren mit dem Auto und Dachzelt unterwegs und mussten erst noch eine Versicherung für das Auto abschließen, sodass wir mit dem Fahrrad ein wenig Vorsprung hatten. Als sie uns dann eingeholt hatten, haben wir wieder realisiert, wie unterschiedlich wir doch reisen im Vergleich zu vielen anderen Leuten. Fahrradfahren bietet doch nochmal weniger Luxus als ein Auto und man weiß manche Dinge anders zu schätzen. Man erlebt die Natur und das Land intensiver, langsamer und atmet die ganze Zeit frische Luft. Uns gefällt das und uns gefällt auch, dass wir uns auf das Wesentliche reduzieren. Die letzte Waschmaschine hatten wir z.B. vor einem Monat und ein Tisch und Stühle zum Essen fühlt sich ziemlich luxuriös und auch ein wenig komisch an.
Am zweiten Tag haben wir dann den ersten hohen Pass passiert. Das Schlimmste waren die Gedanken, die man sich davor gemacht hat. Zum einen, weil sowohl die Autofahrer, als auch die Radfahrer, die einem entgegenkommen, sagen, dass die Straße krass ist und das sogar mit dem Auto teilweise schwierig war. Und zum anderen bedingt durch Bennos Höhenanzeige der Navigations-App, die so eingestellt war, dass man noch mehr Angst bekommt (die Verhältnisse von Höhenmeter zu Kilometer waren nicht ganz realistisch angezeigt). Als wir dann endlich mit bergauf Fahren begonnen hatten, war es gar nicht mehr so schlimm. Nur die letzten 14,8 km waren dann so steil, dass wir dafür 3:40 h gebraucht haben. Schieben, super langsam fahren, viele Pausen machen. Wir haben dann noch einen weiblichen Bären gesehen, der sich doch wirklich an einem Baum gerieben hat. Auch bald zu sehen im Videoschnitt über Georgien.
Der Verkehr ist „Indien light“ , also chaotischer als in Deutschland, aber immer noch ein wenig gesitteter als in Indien. Das Lenkrad findet man hier auf allen Seiten. Wisst ihr, wieso? Weil die Autos zum Teil aus Japan kommen (billiger) und in Japan Linksverkehr herrscht. Hatten wir auch erst nochmal nachlesen müssen.
Wenn einem Autos entgegen kommen, wird oft gewinkt und gehupt. Kommt aber trotzdem manchmal unerwartet und man erschrickt, wenn ein Auto direkt neben einem hupt. Vor allem die LKWs :)
Auf dem Weg bergab des Passes haben wir zwei Radreisende getroffen. Seit 2 ½ Jahren ist das deutsche Pärchen (Froni und Jonas) bereits unterwegs. Beide auf Rohloff Narben. Nach einem 30-minütigen, sehr interessanten Gespräch waren wir um einige Tipps und Benno um zwei Rohloff-Öl-Wechselsets reicher. Anbei die Website mit extrem viel Material. Vielleicht finden wir irgendwann mal Zeit da reinzuschauen – aber aktuell sind unsere eigenen Abenteuer einfach präsent genug.
Nach dem Pass haben wir kurz in einem Café Halt gemacht, um Bennos Visa Antrag für den Iran zu checken. Leider wurde auch der 2te Antrag abgelehnt. Wir probieren es nun ein drittes Mal. Aktuell ist der dritte Antrag noch „pending“ und leider sind wir schon ca. 80km vor Tbilisi, wo wir die Visa bei der Iran Botschaft abholen müssen. Leider haben wir während „pending“ keine Möglichkeit, das Visa parallel bei einer Agentur oder einem Kontakt von Jonas und Tamara (s.u.) zu beantragen (was zu 99,9% funktionieren soll). Wenn der Antrag im System „festhängen“ sollte, müssen wir zur Botschaft und den Antrag löschen lassen. Dann zwei Tage warten und dann kann man es über die Agentur beantragt werden, was dann noch einmal 5 Werktage benötigt. Um das Visa abzuholen, muss man 2x zur Botschaft. Insgesamt also ein ziemlicher Aufwand, um in ein Land zu kommen. Und naja, nervt schon ein wenig aber so is et. Vielleicht lag es am Foto (siehe Album).
In dem Café kamen auf einmal Jonas und Tamara rein und schnell war klar, dass unsere Route gemeinsam nach Tbilisi geht. Aktuell sind wir den vierten Tag mit den beiden Deutschen unterwegs und es ist wunderschön. Die Zwei bereichern unsere Reise und wir erleben die Abenteuer nun zu viert. Mega unkompliziert, interessant, rücksichtsvoll, belesen, sportlich und sympathisch sind die beiden. In unserem Gemüseinterview haben sie eine kleine Rolle "aus der Zukunft" übernommen.
Wir genießen es, mit den beiden zu radeln. Auch wenn Jonas uns ca. 7km bei hartem Gegenwind über eine wunderschöne Landschaft (siehe Georgien Album) gegen den Wind über richtig bösen Schotterweg in eine Sackgasse mit Polizei inklusive Maschinengewehr geführt hat. Naja, haben wir alle gemeinsam super weggesteckt. Mit Rückenwind ging es dann im Abendlicht hoch und runter zurück. Die Hochebenen sind wunderschön und machen wett, dass wir in Georgien zu fast 80% auf Schotter unterwegs sind. Wundervoll, die Eindrücke gemeinsam zu teilen und die Aufstiege in der Gruppe bei tollen Gesprächen über etliche Themen zu meistern. In dieser intensiven Zeit haben wir beide bereits in unser Herz geschlossen und wenn wir an einen (erneuten) Abschied denken, werden die Augen bereits feucht.
Leider werden sich die Wege nach 4 Tagen in einem AirBnB in Tbilisi trennen. Die Zwei wollen den Bus in den Iran nehmen und wir werden durch Armenien hinradeln.
In den Hochebenen haben wir leider schon einige unschöne Erlebnisse mit Hunden gemacht. Krasses Gefühl, wenn eine aggressive Gruppe von großen Hunden bellend und zähnefletschend hinter einem oder auf einen zu rennt. Irgendwann muss man anhalten und hoffen, einen Stein zu finden. Bei dem Wind konnte man Bennos Pfefferspray nicht benutzen. Aber alles jut gegangen und Marie ist nun auch bereit, Steine zu werfen, um sich zu verteidigen.
Weitere Fahrradbegegnungen:
In Georgien haben wir neben den zwei Deutschen Pärchen noch weitere entgegenkommende Radfahrer getroffen. Kurz anhalten und ein wenig quatschen ist immer nett. Sind immer lustige Bekanntschaften. Zuerst war da das amerikanische Pärchen auf ein Tandem mit Anhänger. Der Mann sitzt immer vorne und die können nur Asphalt fahren. Das Gespräch war recht schnell so langweilig, dass Tamara angefangen hat, ihre Kette zu putzen. Am nächsten Tag haben wir ein 50-jähriges russisches Pärchen getroffen. Fahrräder der Oberklasse, ausgerüstet mit allem, was es gibt, inklusive Trockengerichte zum Aufkochen. Bisher war das Pärchen aber nur im Hotel, da es in der Gegend noch Hotels gab. Auf die Frage, ob seine Frau (die kein Englisch sprach) auch Spaß habe, antwortete er „maybe“. Für seine nächste Tour will er sich ein Pinion Getriebe kaufen.
Kurz darauf trafen wir Justin, einen Kanadier. Sehr wenig Gepäck auf einem Fahrrad, das definitiv nicht für den Asphalt gebaut war. Er ist seit 4 Jahren überwiegend alleine unterwegs und ernährt sich vornehmlich von Haferflocken und Buchweizen aus seinen Fahrradflaschen. Er hat alles auf ein Minimum reduziert und fährt so vor sich hin. Er liebt das Fahrradfahren, ist aber ein wenig „müde“, sagt er. Auf Maries Frage, was er sehr liebt, aber trotzdem drauf verzichtet, kam die dunkle Schokolade wie aus der Pistole geschossen. Auch auf diese hat er zu verzichten gelernt. Zum Abschied haben wir ihm eine dunkle Schokolade gekauft. Auf uns wirkte diese Begegnung noch sehr nach.
Also hängen wir jetzt bis Mittwoch im AirBnB in Tbilisi ab und organisieren uns, erledigen das Iran Visum (hoffentlich) und dann radeln wir nach Armenien, um in den Iran zu kommen. Soweit der Plan...
PS: Auf unserer Videogalerie findet ihr ein neues Gemüseinterview (wie bereits oben erwähnt) und einen weiteren Slomo-Tanz.
PPS: Wie gehabt freuen wir uns über jegliches Feedback/ Berichte von zu Hause/ Fotos per Mail, WhatsApp oder über das Kontaktformular.
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