Fragen und Pakistan-Zusammenschnitt
- B&M
- 28. Dez. 2019
- 9 Min. Lesezeit
Uns haben wieder ein paar Fragen von euch erreicht und hier sind unsere Antworten.
Zudem hier das Video von Pakistan (auch zu finden in der Video-Galerie) und ach ja.. Frohe Weihnachten und Happy New Year! :D
Und noch was hier noch unser Indien Foto Album (einige neue Bilder laden aber gerade noch)
1) Habt ihr das Gefühl, dass ihr noch mehr „outgoing“ geworden seid durch die Reise oder wart ihr davor auch schon so drauf?
Marie: Das kommt immer ein bisschen auf die Situation drauf an. Mal denke ich, dass ich ein bisschen mehr „outgoing“ geworden bin, manchmal aber auch nicht. Wahrscheinlich bin ich einfach so „outgoing“ wie davor.
Benno: „Outgoing“ sind wir quasi seitdem wir losgefahren sind. Am Anfang in Deutschland hatte ich noch Probleme nach Wasser zu fragen, jetzt fragte ich ohne Probleme, ob wir im Garten zelten können.
Da wir jeden Tag neue Leute treffen und wenn wir bei seinen Host nur wenige Tage ist, ist es für mich wichtig, dass wir nicht viel Zeit mit „kennen lernen“ verbringen, bevor man sich zueinander hingezogen und damit auch geborgen fühlt. Das heißt, ich falle, so respektvoll wie möglich, mit der Tür ins Haus, um schnellstmöglich das Eis zu brechen. Aber war das früher anders?
2) Wenn ihr immer wieder eingeladen werdet und immer Tee trinken müsst, schafft ihr dann überhaupt eure Kilometer pro Tag, die ihr euch vornehmt oder kommt ihr nicht so schnell voran, wie ihr eigentlich wollt?
In Pakistan haben wir keine Tageskilometer geplant und davor auch nicht so oft. Meistens schauen wir einfach, wie wir so Lust haben und haben dann eine Route oder ein grobes Ziel, aber lassen den Tag auf uns zukommen. Nach den vielen Polizeibegleitungen hatten wir dann irgendwann das Gefühl, mal wieder richtig Strecke machen zu wollen, als wir ohne Eskorte waren. Das haben wir dann auch gemacht
Und um voranzukommen muss man leider immer wieder Leuten zuwinken und die Einladungen ablehnen. Gerne würden wir jeden gleich behandeln aber, wenn wir bereits vor einer Minute für ein nettes Gespräch angehalten haben, dann will man einfach mal weiterfahren.
2.1) Oder ist das Tee trinken gar nicht so zeitintensiv?
Marie:
Doch, das ist schon immer mindestens ´ne halbe Stunde :)
Benno:
Bei mir dauert es immer etwas länger und ich muss danach immer pinkeln.
3) In den Ländern, in denen Männer und Frauen eher getrennt sind, wird von den Einwohnern toleriert, dass ihr auch mal Händchen haltet oder euch küsst? Oder macht ihr das gar nicht?
Ist man hier mit den Touristen nicht so streng oder habt ihr Probleme und müsst euch da auch strikt verhalten?
Heimlich auf dem Fahrrad einen Kuss andeuten oder sagen, dass man den anderen jetzt küssen würde oder auch mal liebevoll kneifen, das ging klar, mehr aber nicht. Im Iran und Pakistan haben wir sehr wenig bis gar nicht Händchen gehalten und uns wenn dann nur geküsst, wenn keiner zugeschaut hat. Der gesellschaftliche Druck ist so hoch, dass man es dann auch gar nicht mehr will. Genau aus dem gleichen Grund, weshalb man in Deutschland nicht im Unterhemd und Boxershorts einkaufen geht. Aber es ist schon krass, wie sehr und wie schnell man sich daran gewöhnt hat – also an das nicht mehr anfassen – nicht an das Einkaufen in Unterhemd und Boxershorts. Aber Benno hofft, es kostet genauso wenig Anstrengung, wieder anzufangen mit dem Berühren. In Indien konnten wir schon ein wenig trainieren und es scheint zu klappen.
4) Und ist es dann okay, dass ihr zusammen in einem Zimmer schlaft? Oder ist es sowieso so, dass man bei den Leuten zu Hause, wenn die Tür zu ist, alles machen kann?
Marie:
Es gab Situationen, in denen wir nicht in einem Zimmer schlafen durften und einmal durften wir es zwar, aber ich glaube, dass die Leute es eigentlich komisch fanden. Und je nach dem hab ich auch zu Hause das Kopftuch aufbehalten oder es abgenommen, das kam immer ein bisschen auf die Familie und die Situation drauf an.
Benno:
Zudem hatte ich das Gefühl, dass es den Männern ganz recht war, wenn Marie und ich getrennt waren. Dann konnten sie mit mir mehr Männer sein und waren nicht so verklemmt, wie als wenn die Frauen mit dabei wären.
5) Wie ist der Zwischenstand momentan? Habt ihr euch das alles so ähnlich vorgestellt oder kam es doch ganz anders?
Marie:
Ich glaube, die Frage hatten wir schon mal beantwortet. Aber gut, anscheinend ist es eine spannende Frage, daher beantworte ich sie nochmal. Und vielleicht schreib ich jetzt auch ein bisschen was anderes :)
Ich hab es mir in vielen Dingen schon anders vorgestellt. Auch wenn ich keine konkreten Vorstellungen hatte, dachte ich z.B. nicht, dass Benno und ich auf Dauer so gut funktionieren und dass wir so gut miteinander auskommen. Klar zoffen wir uns immer mal wieder, aber wir können immer über alles reden und ich finde unser gemeinsames Reisen als eine große Bereicherung. Also das „Gemeinsame“ am Reisen.
Dann dachte ich nicht, dass mir das monotone Essen so wenig ausmacht.
Und ich dachte nicht, dass ich fast jedes Mal, wenn wir länger irgendwo Pause machen, kotzen muss :) Und ich dachte nicht, dass ich durch die viele freie Zeit mich mit so vielen neuen Dingen beschäftigen kann, also ich hab davor einfach nie darüber nachgedacht.
Benno:
Ich habe mir einiges anders vorgestellt, z.B. dass Marie und ich uns besser verstehen. Nein quatsch – war ´nen Witz. Puh, harte Frage. Es kommt ja alles so schleichend und die Vorurteile sind dann super schnell verschwunden und man kann sich gar nicht mehr dran erinnern, wie man es sich eigentlich vorgestellt hat. Grundsätzlich versuche ich, konkrete Erwartungen an irgendetwas weiterhin zu vermeiden, das führt nur zu Schwierigkeiten. Klappt aber auch nicht immer.
6) Warum reist ihr weiter? Was hält euch am laufen/radeln?
Marie:
Ich glaube, dass ich noch zu neugierig bin auf das, was noch so kommen kann und ich Lust habe, noch mehr zu sehen. Es fühlt sich einfach noch nicht „fertig“ an. Und dann weiß ich auch noch gar nicht, wie ich zu Hause oder wo auch immer wir dann enden werden, weiterleben will. Also, wie/was ich arbeiten will und wie ich wohnen will.
Benno:
Jeder Tag ist einfach super spannend. Immer passiert irgendetwas, man sieht spannende Dinge und hat auch viel Zeit seine Gedanken einfach schweifen zu lassen. Ich reise weiter, weil es einfach Spaß macht und es doch alles recht einfach ist.
7) Was würdet ihr sagen, was zeichnet euch als Fahrradteam aus? Warum klappt das so gut bei euch?
Marie:
Ich finde, dass wir uns beide gut selbstreflektieren können, dass wir offen für den anderen sind und dass wir über alles reden können. Und wir haben beide Humor, das kann dann auch oftmals helfen, mit einer schwierigen Situation klarzukommen.
Benno:
Wir schaffen über alles „recht“ zeitnah zu sprechen. Dies verhindert, dass sich irgendetwas anstaut oder etwas einschleicht. Wir versuchen klar zu kommunizieren, was meist an den Stellen sehr schwer fällt, wo man selber gar nicht weiß, was man eigentlich will.
8) Was ist euer Lieblingsausrüstungsgegenstand?
Marie:
super schwere Frage. Irgendwie mein Messer, ich kann aber nicht sagen, warum. Und dann mein Handy, weil ich damit immer Podcasts und Hörbücher während der Fahrt hören kann. Und dann aber auch das Zelt, weil es mir direkt ein bisschen Heimatgefühle gibt - ist halt unser Zuhause.
Benno:
Lieblingsausrüstungsgegenstand…hängt auch immer von der Situation ab und ändert sich teils. Ich finde alles geil. Gerade gefällt mir mein Buff sehr gut. Es wärmt und schützt vor Staub und wenn man mal kein Bock hat kann man sich auch gut dahinter verstecken. Oh ja, wenn ich Maries Antwort lese, würde ich auch ungerne auf Musik etc. verzichten. Mal ´nen Hänger – Kopfhörer rein. Kein Bock mehr zu fahren – Kopfhörer rein – und zack - easy 30km mehr.
9) Wie habt ihr euch oder wie hat sich jeder von euch seit der Reise verändert? Weiterentwickelt, zurückentwickelt, verändert hat?
Marie über Marie:
Ich glaube schon, dass ich mich verändert habe, finde es aber sehr schwierig, das runterzubrechen auf gewisse Punkte. Aber ich würde sagen, dass ich „selbst-bewusster“ geworden bin dadurch, dass ich mich in so vielen unterschiedlichen Situationen erlebe und mich auch teils in den Videos sehe. Also dass ich mich selber akzeptiere und auch gerne mal beobachte und mich eher mal so nehme wie ich bin.
Und in Hinblick auf meine Vorurteile auf Iran, Pakistan und die anderen Religionen und Kulturen bin ich deutlich offener geworden und denke nicht mehr, dass wir in Deutschland alles richtigmachen. Ohne es zu wissen, hab ich das nämlich davor getan :)
Mein Drang, immer Dinge erledigen zu wollen, ist nicht mehr so stark ausgeprägt, würde ich sagen. Oder es fällt mir nicht mehr auf :)
Marie über Benno:
Das find ich genauso schwer... Na gut, aber ich hab das Gefühl, dass Benno nicht mehr alles so ganz genau im Voraus planen muss, sondern eher mal was auf sich zukommen lässt. Das Vertrauen darin, dass es schon irgendwie gut wird, ist gewachsen. Ein „Erledigungsdrang“, wie ich ihn auch habe, ist geblieben. Jedes Mal, wenn wir ein bisschen länger Pause machen an einem Ort, werden verschiedene Sachen abgearbeitet (Statistik eintragen, Videos sortieren und schneiden, etc.). Ansonsten sind es glaube ich auch viele kleine Dinge, die ich jetzt aus dem Stehgreif nicht so benennen kann.
Benno über Benno:
Ich grübel jetzt schon ein paar Tage über diese Frage und weiß es immer noch nicht so recht. Es gibt viele Dinge, die ich auf der Reise gelernt habe, aber ob diese über die Reise hinaus anhalten, bin ich mir noch nicht so sicher. Dazu gehört z.B. sich voll und ganz darauf einzulassen und abzuwarten, was als nächstes passiert, letztlich die Kontrolle abzugeben und einfach nur mitzuschwimmen. Ich bin mir sicher, dass mir diese Eigenschaft im Beruflichen, Sportlichen und Sonstigen manchmal das Leben einfacher gemacht hätte. Aber wie gesagt, ich bin mir nicht sicher, ob diese Ruhe und Gelassenheit in einer nicht mehr so fremden Umgebung dann zuletzt bestehen bleibt oder ich erneut die Dinge als erster in die Hand nehme. Ich bin mir auch gar nicht sicher, ob ich mir es wünschen würde.
Benno über Marie:
Ich glaube, dass Marie wesentlich klarer und bestimmter sagt, was sie möchte oder auch nicht. D.h. es wird ihr seltener passieren, dass sie sich auf irgendetwas einlässt, was sie nachträglich bereut. Da Marie alle Menschen liebt und es vielen, manchmal zu vielen, gerecht machen wollte, war dies meiner Meinung ein Thema. Allerdings gab es zu dieser Angelegenheit einige, wenn nicht etliche, Trainingssituationen. Die Vielfalt dieser Konstellationen reicht von mir persönlich initiierten bis hin zu Widerstand gegen Polizei oder Selfie-Jägern.
10) Die große Freiheit gibt es doch nur alleine. Wie ist eure Meinung dazu?
Also es stimmt bis zu einem gewissen Grad schon, dass man alleine keine seiner Entscheidungen diskutieren muss und einfach entscheiden kann, wo man langfährt, wie schnell man fährt, wann man Pause macht, was man isst, etc.. Wenn das für einen selber Freiheit bedeutet, dann stimmt die Aussage wohl. Allerdings hatte vor allem Marie in unserer Beziehung öfter das Bedürfnis, mal alleine zu sein oder ihre „Freiheit“ zu haben und bisher war das auf der Reise kein Thema. Warum das so ist? Da hat sie auch schon drüber nachgedacht:
Marie:
Weil ich zum einen auf dem Fahrrad viel Zeit für mich hab, als zweites die Kompromisse oder Meinungsverschiedenheiten bisher nicht als Beschneidung der Freiheit, sondern meist als Bereicherung empfinde. Und drittens glaube ich, dass ich durch Benno auch viel an Freiheiten gewinne, z.B. hab ich weniger Angst als wenn ich alleine im Zelt irgendwo übernachten würde, ich hab immer jemanden bei mir, falls irgendwas passieren sollte (ich z.B. mal einen Unfall hätte) oder auch im Umgang mit den Männern (vor allem in unbekannten Kulturen) ist immer klar, dass Benno und ich eine Einheit sind und das lässt sehr wenig Platz für irgendwelche missverständlichen Signale, die ich vielleicht aus Versehen an einen Mann senden könnte.
Also, kurz gesagt: so pauschal stimme ich der Aussage zu und finde auch, dass das Reisen alleine viele Vorteile hat und ich mich da eher mal treiben lassen kann, aber für mich bedeutet das gemeinsame Reisen aktuell noch mehr Freiheit als alleine zu reisen.
Benno: Marie bringt mich in Situationen, in die ich selber nie reingefunden hätte. Vielleicht ein Veggi Restaurant oder auch ein Kloster – mal sehen, was sie noch so in petto hat. Gerne gebe ich für diese Erlebnisse ein wenig meiner Freiheit ab.
11) Macht Entdecken denn überhaupt noch Spaß, wenn man andauernd etwas Neues entdeckt?
Also wenn man jeden Tag so viele neue Dinge sieht und erlebt und kennenlernt, kann das schon manchmal eine kleine Reizüberflutung geben. Vor allem in Pakistan war das öfter so. Und dann gab es Punkte, an denen Marie auch nicht mehr fähig war, Neues aufzunehmen oder sich für die Menschen zu begeistern. Das war dann aber nach einer Ruhepause wieder vorbei und bisher macht es nach wie vor Spaß, Neues zu entdecken. Allerdings muss man schon sagen, dass man sich auch schnell an Dinge gewöhnt, wie z.B. 6 Leute und eine Kuh auf einem Motorrad oder ein Kamel oder bunte LKWs oder so, das ist dann nicht mehr soo besonders wie beim ersten Mal. Ebenso ist das mit den Begegnungen, dass die erste Übernachtung in einer Polizeistation noch besonders ist und die dritte dann schon „normal“ ;) Aber wir versuchen nach wie vor offen zu bleiben und es gibt auch immer wieder Neues zu entdecken, auch in dem „Bekannten“. Das ist ja die Kunst dabei und auch Maries Geheimtipp für eine nach wie vor nie langweilig werdende Beziehung.
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